ManU laufen die Fans weg

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ManU laufen die Fans weg

Beitragvon Happelche » 12.05.2006, 12:48

Rebellen auf Dienstreise
Weil sie die Nase voll hatten von einem globalisierten Manchester United, haben Fans einen neuen Club gegründet: den FC United of Manchester - und huldigen dem "echten Fußball"

AUS MANCHESTER
DAMIANO VALGOLIO

Eigentlich spricht man so nicht mit seinem Chef. Aber Andy Walsh wird langsam unruhig: "Luc, du musst wenigstens Krawatte tragen. Keinen Anzug, bloß Krawatte", sagt er beschwörend in sein Handy. Andy Walsh ist Manager des FC United of Manchester, Luc Zentar der Vorstandssekretär. Ihr Club ist noch nicht einmal ein Jahr alt, doch die Engländer bereiten sich bereits auf ihren ersten internationalen Auftritt vor. Heute wird der FC United in Leipzig zum Freundschaftsspiel gegen Lokomotive erwartet. Aber Luc Zentar sieht nicht ein, warum er etwas anderes anziehen sollte als bei all den anderen Auswärtsfahrten - nur ein rotes Trikot. Jahrelang stand er so in der Fankurve des Traditionsvereins Manchester United. Bis zu den dramatischen Ereignissen im vergangenen Sommer. Seitdem führen er und Andy Walsh einen eigenen Club, der inzwischen größer ist als mancher deutscher Regionalligist. Und sie stehen an der Spitze der englischen Fußball-Revolution. Ihr FC United hat der Kommerzialisierung ihres Sports den Kampf angesagt.

Gegründet würde der Rebellenclub im vergangenen Juni von rund 1.000 enttäuschten ManU-Anhängern. Monatelang hatten sie versucht zu verhindern, dass der amerikanische Multimillionär Malcom Glazer den Verein aufkauft. Allen voran Andy Walsh, damals noch Sprecher des Fanclubs "Independent Supporters' Association". Als die feindliche Übernahme dennoch zustande kam, reichte es ihm. "Durch Glazer regiert bei ManU nur noch das große Geld", sagt Walsh. "Jahr für Jahr ist es schlimmer geworden. Immer höhere Eintrittspreise und immer schlechtere Stimmung." Der harte Kern beschloss, dass der "Spirit von United" nur gerettet werden könne durch einen eigenen Verein. Vorerst jedenfalls.

Zuerst wurde die bunte Truppe zur Eintagsfliege erklärt. Inzwischen hat der FC United einen Zuschauerrekord von über 6.000 Fans. Gerade ist der Club mit 11 Punkten Vorsprung Meister der 2. nordenglischen Counties League geworden und in die achte englische Liga aufgestiegen. Als dem Team beim letzten Spiel Anfang Mai der Pokal überreicht wurde, sangen die stolzen Anhänger minutenlang: "Kannst du uns hören, Malcom Glazer? Siehst du, wie viele wir sind?"

Beim FC United stehen die Fans im Mittelpunkt. Sie haben sich das Spiel zurückerobert. Auf einem T-Shirt, das verkauft wird, steht: "Unser Club - unsere Regeln". In der kommenden Saison sollen auch eine Frauen- und zwei Jugendmannschaften antreten. Für Walsh steht der FC United für "den richtigen Fußball, den zum Anfassen und mit echter Leidenschaft. Hier kannst du die Spieler abklatschen und deine Fahne noch mit ins Stadion nehmen."

An Malcom Glazer stört die Fans nicht nur, dass er keine Ahnung von Fußball hat, sondern vor allem sein Geschäftsplan. Der Großinvestor hat ManU auf Pump gekauft, die Kredite in Höhe von rund 800 Millionen Euro sind jetzt Schulden des Clubs. Jetzt zählen Umsatz und Gewinn, erst danach kommen Titel und Tore. Es ist schon so weit gekommen, dass jubelnde Fans vom Stadionsprecher aufgefordert werden, sich wieder hinzusetzen. Bis 2011 sollen die Eintrittspreise bei ManU jährlich um rund 9 Prozent steigen.

"Die Leute kommen zum FC United, weil sie sich den Eintritt im Old Trafford nicht mehr leisten können", sagt Walsh. Dann erzählt er, wie er 1967 als Fünfjähriger zum ersten Mal mit seinem Vater in dem legendären Stadion stand. "Wenn ich heute mit meinen beiden Kindern hingehen will, kostet mich das 140 Pfund." Beim FC United zahlen Jugendliche nur 2 Pfund. "Dort fühle ich den Stolz, den ich früher bei ManU-Spielen gespürt habe."

Walsh kennt sich aus mit Rebellion. Anfang der 90er-Jahre kämpfte der Aktivist der linken Angestelltengewerkschaft Bifu gegen die Regierung Thatcher. Mehrere Wochen saß er damals im Gefängnis. Jetzt kämpft er für United. Möglicherweise auf verlorenem Posten. Die Globalisierung, die Manchester in den vergangenen Jahren so zugesetzt hat, hat den Fußball längst erfasst. Manchester United ist ein globaler Verein. Rund 75 Millionen Anhänger hat der Club, ein Großteil lebt in Japan und den USA. Heimstätte von ManU ist das weltweite Bezahlfernsehen Sky-Sport - nicht mehr das ehrwürdige Old Trafford.

"Dort gibt es keinen Fußball mehr zu sehen", sagt Karl Marginson. "Das ist Show, für Geldsäcke, die mit ihren fuckin' Geschäftspartnern ins Stadion gehen." Marginson ist 35 Jahre alt, Exprofi und hat ein kaputtes Knie. Jeden Morgen steht er um vier Uhr auf und fährt acht Stunden lang Gemüse aus. Nachmittags trainiert er den FC United. Jetzt sitzt er in einem Pub, vor sich das zweite Bier. "Seit zehn Monaten bin ich der glücklichste Mann der Welt", sagt er. Neben Coach Marginson sitzt United-Stürmer Jonathan Mitten. "Was seit dem letzten Sommer passiert ist, ist wie im Märchen", schwärmt der Maler. Seine Klamotten sind voll mit weißer Farbe, er ist direkt nach der Arbeit vorbeigekommen.

Das heutige Freundschaftsspiel in Leipzig ist für Mitten und Marginson der krönende Abschluss der Saison. Vor allem wegen der Gastgeber. Auch Lokomotive lebt von der Initiative der Fans. "Das wird eine große Party", freut sich der Coach. Nur eines macht dem Rebell Sorgen: "Stimmt es, dass es in Leipzig Nazis im Stadion gibt?"

Quelle: TAZ vom 12.05.200
Fragt der Arzt: "Leiden Sie oft unter starkem Durst?" "Nein, Herr Doktor,
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